ich schreibe Sie an wegen einer sehr delikaten Angelegenheit. Eine Freundin von mir wurde während einer Staatsexamensprüfung Zeugin massiver Täuschungsversuche. Es handelt sich dabei um eine 2-tägige mündlich-praktische und 1-tägige schriftliche Prüfung in MC-Form. Während der 2-tägigen Prüfung sind die Prüflinge in jeweils eine Vor- und Nachmittags-Großgruppe eingeteilt, sie erhalten dabei alle dieselben Fragen. Es erfolgt eine räumliche und zeitliche Trennung, um die Weitergabe von schon gestellten Fragen und schon bekannten Antworten möglichst zu unterbinden. Die Großgruppe wird, in kleinere Gruppen aufgeteilt, zu Prüfstationen geführt und bleibt so lange unter Aufsicht, bis die Prüfung der gesamten Großgruppe abgeschlossen ist, um Manipulationen zu verhindern. Selbstverständlich gelten die üblichen Regeln, also Handy/Smartphone/MP3-Player-Verbot etc. Sie wurde aber Zeugin dessen, daß in der Vormittagsgruppe Gedankenprotokolle erstellt, gemeinschaftlich zusammengefügt und Blätter im Aufsichtsraum versteckt wurden. Desweitern haben wohl mehrere Personen unerlaubterweise Handys/Smartphones am Körper gehabt und bei WC-Gängen dann entweder einzelne Fragenblöcke oder sogar mutmaßlich die gesamten abfotographierten Gedankenprotokolle Studenten der Nachmittagsgruppe übermittelt. Dies wurde ihr mündlich von Beteiligten bestätigt. Es scheint bereits im Jahr zuvor zu statistisch signifikant besseren Gesamtergebnissen der Nachmittagsgruppe im Vergleich zur Vormittagsgruppe gekommen zu sein. Dies und weitere formal-prozedurale Änderungen der Prüfung insgesamt haben wohl zu einer deutlichen Verschärfung der Prüfungsschwierigkeit geführt, wovon sie natürlich jetzt mitbetroffen war. Da das Bestehen dieser, wie oben ausgeführt, verschärften Prüfung für sie existenzieller Natur ist, sie die Täuschungen auch absolut ungerecht findet, gleichzeitig aber auch Sorge davor hat ,im Falle einer Meldung nichts zu bewirken ( da die Universität vielleicht wegen drohendem Gesichtsverlust nicht die Kripo einschalten würde) und obendrein als "Netstbeschmutzerin" an den Pranger zu geraten, ist sie sehr ratlos.
Daher meine Fragen : welche Vorgehensweise würden Sie empfehlen? Unter welchen Umständen könnte die Kriminalpolizei eingeschaltet werden ( zB Analyse der Verbindungen in besagten Zeiträumen und Funkzellbereichen ), gibt es hier ein öffentliches Interesse oder würde dies nur innerhalb der Universität untersucht? Welche Voraussetzungen müssen erfüllt sein, um die Chancengleichheit erfolgreich anzufechten und die Prüfungsergebnisse insgesamt annullieren zu lassen? Last but not least falls sie sich dazu entschließt: wie könnte sie die Universität am Besten mit ins Boot holen?
Sehr kompliziert, daher viel Text, ich hoffe, den komplexen Sachverhalt hinreichend dargelegt zu haben, daß sie ihr weiterhelfen können und bedanke mich recht herzlich im Voraus für Ihre Mühe,
Wir haben Zweifel an der Sinnhaftigkeit gerichtlicher Maßnahmen bzw. einer Strafanzeige. Aus unserer Sicht muss das Ergreifen gerichtlicher (auch strafprozessualer) Maßnahmen zu einem Vorteil für den Betreffenden führen. Wenn z.B. aufgrund der aufgezeigten Manipulation der Prüfungen sich die Bestehensgrenze geändert hätte oder diese Täuschungsversuche irgendwie kausal für das Prüfungsergebnis wären, wären wir für eine sofortige Strafanzeige. Wenn man sich lediglich über den Umfang und die Art der Täuschung ärgert, so verflüchtigt sich dieser Zorn im Laufe der Zeit. Wenn es alsdann nach 1-2 Jahren zu einer Hauptverhandlung oder einer sonstigen mündlichen Verhandlung bei Gericht kommt, hat man die Angelegenheit längst vergessen und ärgert sich nur darüber, dass man alsdann einen Termin bei Gericht wahrnehmen muss.
Der umfangreichen Sachverhaltsdarstellung können wir die konkrete Beeinträchtigung der verärgerten und empörten Kommilitonin noch nicht so recht erkennen. Vielleicht sollte man derartiges uns persönlich zukommen lassen (nicht über das öffentlich zugängliche Internet).
Dr. Zimmerling Rechtsanwalt Fachanwalt für Arbeits- und Verwaltungsrecht