In manchen Foren zur Studienplatzklage wird mal wieder ganz großer Unsinn diskutiert. Häufig werden Argumente durch Emotionen ersetzt. Hierbei ist es insbesondere falsch, dass durch die Studienplatzkläger immer neue Studienplätze eingeklagt werden, so dass es in der Medizinischen Ausbildung immer schlechter wird. Das Gegenteil ist richtig!
Im Jahr 1990 (Jahr der Wiedervereinigung Deutschlands) gab es in der Bundesrepublik Deutschland im Studiengang Humanmedizin 12.000 Studienplätze. Aufgrund der Wiedervereinigung Deutschlands kamen 8 weitere Medizinische Fakultäten dazu, mit der Folge, dass wir heute ca. 16.000 Studienplätze haben müssten. Stattdessen haben wir nur 10.800 (!). Dies bedeutet, dass innerhalb von 20 Jahren jeder dritte Medizinstudienplatz (vernichtet) wurde. Ohne die NC-Anwälte und die Studienplatzkläger wäre die Anzahl der Studienplätze im Studiengang Medizin mit Sicherheit auf rund 8.000 Studienplätze abgesenkt worden. Es wurde somit ein noch rabiaterer Kapazitätsabbau verhindert. Es wurden somit keine zusätzlichen Studienplätze eingeklagt, sondern nur verhindert, dass immer weniger Studienbewerber zugelassen wurden. Auch im Wintersemester 2011/2012 haben erneut einige Universitäten die Ausbildungskapazität gesenkt. Dies hat mitunter - aus der Sicht der Universitäten - sachliche Gründe, indem beispielsweise eine Professorenstelle von der vorklinischen Lehreinheit in die Klinik verlagert wird. Dies hat allerdings zur Folge, dass in der Vorklinik ca. 4-5 Studienplätze verloren gehen, während die Kapazität der Klinik unverändert bleibt, da die Kapazität der Klinik regelmäßig errechnet wird aufgrund der patientenbezogenen Ausbildungskapazität. Gegen diesen Studienplatzabbau wehren wir uns nach wie vor. Allerdings haben zwischenzeitlich die Hochschulen erkannt, dass sie bei einem Studienplatzabbau häufig bei den Verwaltungsgerichten verlieren, weshalb sie sich insoweit nunmehr „zügeln“. Auf jeden Fall ist die Behauptung falsch, es werden immer mehr Studienbewerber eingeklagt mit der Folge, dass die Zahl der Medizinstudenten „ins Unermessliche“ steigt.
Ärgerlich bei der Studienplatzklage ist natürlich, dass sich immer mehr Hochschulen anwaltlich vertreten lassen (nunmehr auch die Universität Saarbrücken). Die Hochschulen lassen überhaupt keinen Zweifel daran, dass die anwaltliche Vertretung nur erfolgt zum Zwecke der „Abschreckung“. Man hofft, dass auf diese Art und Weise die Anzahl der Studienplatzkläger gegen die betreffende Hochschule sinkt und sich die Hochschule damit Verwaltungsarbeit erspart. Bezeichnend ist das Beispiel der Universität Frankfurt am Main. Deren früherer Präsident hat in einer Fachzeitschrift beklagt, dass nur Studienbewerber „mit einem entsprechenden finanziellen Hintergrund der Eltern“ sich eine Studienplatzklage erlauben können, wobei er zeitgleich ein Rechtsanwaltsbüro mit der Vertretung der Universität Frankfurt am Main beauftragt hat. Wir haben diesem Präsidenten daraufhin einen wütenden Brief geschrieben, der allerdings unbeantwortet blieb.
Bei der Studienplatzklage geht es um die tatsächlich vorhandenen Ausbildungskapazität. Hiervon zu unterscheiden ist die Frage der Verteilungsgerechtigkeit, das heißt nach welchen Kriterien (Abiturnote, Wartezeit etc.) die vorhandenen Studienplätze verteilt werden. Insoweit hatten wir vor einigen Wochen wegen der überlangen Wartezeit von 12 Semestern im Studiengang Humanmedizin beim Bundesverfassungsgericht Verfassungsbeschwerde erhoben. Das Bundesverfassungsgericht hat die Verfassungsbeschwerde nicht zur Entscheidung angenommen, da sie angeblich unzulässig sei (ohne jegliche weitere Begründung). Die gleiche Argumentation hatten wir alsdann beim VG Gelsenkirchen vorgetragen und das VG Gelsenkirchen hat die Wartezeit von 12 Semestern für verfassungswidrig erklärt. Hierbei ist zu berücksichtigen, dass die Wartezeit seit vielen Jahren steigt und in der Vergabeverordnung der Stiftung für Hochschulzulassung die frühere Wartezeitbeschränkung auf 16 Semester entfallen ist. Dies bedeutet, dass in Zukunft die Wartezeit auch über 16 Semester ansteigen kann. Eine Wartezeit von mehr als 12 Semestern, erst recht eine Wartezeit von 16 und mehr Semestern ist jedoch sowohl bildungspolitisch als auch volkswirtschaftlich eine Katastrophe. Hierbei ist zu berücksichtigen, dass viele Studierende, die 12 Semester auf ihren Studienplatz gewartet haben und zwischenzeitlich einer beruflichen Tätigkeit nachgegangen sind, alsdann vom Lehrstoff überfordert werden, wenn sie nach 6 Jahren endlich ihre Zulassung erhalten. Viele geben alsbald frustriert das Studium wieder auf. Dies ist dann für diese Studierenden katastrophal.
Soweit es um die Wartezeit (von 12 Semestern) geht, darf man nicht nur den Studiengang Medizin betrachten. Unsere Argumentation ging dahingehend, dass die Wartezeit nicht länger sein darf als die Regelstudienzeit. Dieser Argumentation ist das VG Gelsenkirchen gefolgt. Noch schlimmer ist es jedoch insoweit in zahlreichen Bachelor-Studiengängen. So beträgt die Wartezeit im Studiengang Soziale Arbeit bei der HTW des Saarlandes 14 Semester. Dies bedeutet, dass ein Studienbewerber 7 Jahre lang warten muss, um alsdann ein 3-jähriges Studium absolvieren zu können. Dies ist in jeglicher Hinsicht unproduktiv.
Wenn man eine Wartezeitzulassung beibehält, muss man zwangsläufig eine entsprechend große Wartezeitquote bilden. Indes wurde die Wartezeitquote (in den medizinischen Studiengängen) von ursprünglich 40 % auf 25 % (mit Bedenken des Bundesverfassungsgerichtes) und nunmehr auf 20 % gesenkt. Hierbei ist weiter zu berücksichtigen, dass es innerhalb der Wartezeitquote kein Nachrückverfahren ergibt. Hieraus ergibt sich letztendlich eine effektive Wartezeitquote von 16 %. Von daher muss etwas geschehen! Auch wenn das OVG Münster der Beschwerde der Stiftung für Hochschulzulassung stattgeben sollte, so wird dennoch Bewegung in das Hochschulzulassungsrecht kommen.
Dr. Zimmerling Rechtsanwalt Fachanwalt für Arbeits- und Verwaltungsrecht
Sehr geehrter Herr Zimmerling, ich finde dieses Forum GENIAL!!! Ich habe mir schon vieles durchgelesen und bestimmt wurde Ihnen die Frage: "Wie stehen meine Chancen?" schon oft gestellt und auch ich möchte sie gerne stellen. Ich habe einen Schnitt von 1.7, habe mein Abitur im Juni 2010 in Hessen gemacht, und warte seitdem. Da ich während meiner Schule viel unterwegs war und viele Fehlstunden auf Grund meines Engagements hatte, habe ich einen Antrag auf Verbesserung der Durchschnittsnote gestellt, doch mein Schulleiter tut sich schwer, ein Gutachten auszustellen (obwohl mein Tutor dies problemlos gemacht hat). Deswegen denke ich über eine Klage in Mainz und Frankfurt nach. Mit freundlichen Grüßen
Anträge auf Nachteilsausgleich werden von der Stiftung für Hochschulzulassung in aller Regel nicht anerkannt. Hierbei ist es ziemlich schwierig, einen Kausalzusammenhang zwischen den Nachteilsgründen (wie z.B. häufige Fehlzeiten) und der Abiturnote herzustellen. Insbesondere weiß niemand, wie bei Wegfall des geltend gemachten "Behinderungsgrundes" die Abiturnote ausgefallen wäre. Ein Schulgutachten ist auf jeden Fall erforderlich.
Bei einer Kapazitätsklage muss man bedenken, dass das Verklagen von lediglich zwei Hochschulen (egal welche) nicht sonderlich sinnvoll ist. Im vorläufigen Rechtsschutzverfahren klagen jeweils mehrere hundert Studienbewerber. In den Zulassungsverfahren zum Wintersemester 2011/2012 gab es in den einzelnen Zulassungsverfahren gegen die Hochschulen maximal 35 Studienplätze. Von daher empfehlen wir dringendst (sofern dies finanziell machbar ist), eine größere Anzahl von Hochschulen zu verklagen.
Dr. Zimmerling Rechtsanwalt Fachanwalt für Arbeits- und Verwaltungsrecht